Rebsorten- und Unterlagenwahl

Suedhang
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Rebsorten- und Unterlagenwahl

Beitrag von Suedhang »

Hallo zusammen,

dreizehn - der mir in anderem Zusammenhang schon tolle Tips geben konnte - hat mich auf dieses schöne Forum aufmerksam gemacht. Ich wohne zwischen Sauerland und Ruhrgebiet und möchte vor meinem Haus gern Reben zur Weinbereitung anpflanzen. Da Wein eine recht langfristige Kultur ist, suche ich Rat und Hilfe, um möglichst viel (alles wäre wohl zu viel verlangt ;) ) von Anfang an richtig zu machen.
Leider muss ich etwas weiter ausholen, fürchte ich, aber ich denke mir, je genauer ich beschreibe, desto besser könnt Ihr mir helfen (wenn Ihr mögt):

Ort: Schwerte an der Ruhr (südlich von Dortmund) Breite: 51° 27', 150m ü.NN

Lage: Wiese auf Lehmboden (relativ dicht) vor Süd-Hauswand (weiß), vor vorherschenden Winden von West bis Nord gut, von Ost mäßig geschützt. Ca. 1m über Straßenniveau (terassenähnlich) und trotz Windschutzes durch Hecken recht gut durchlüftet.
Eine unbekannte Rebsorte dubioser italienischer Herkunft sehr merkwürdigen Geschmacks gedeiht dort prächtig, reift aber nicht ganz aus (momentan (6.10.07) ca. 60° Ö). Diese soll ersetzt werden. Fotos folgen.

Geplante Pflanzung: drei Stöcke direkt an der Hauswand, unter Traufe, durch Lisenen zusätzlich geschützt (als Spalier, hier soll eher "Menge" produziert werden) und 12 Stöcke in zwei Reihen davor (Drahtrahmen, 1m Pflanzabstand; hier soll stärker ausgedünnt werden).
Eventuell können später an einem Carport noch ca. 6-8 Stöcken in Laubenerziehung unter transparentem Dach dazu kommen. Die o.g. Rebsorte wuchs bei meinem Großvater unter sowas, das ist Ihr recht gut bekommen.

Durch die zwei bzw. drei unterschiedliche "Lagen" könnten es auch zwei (oder drei) verschiedene Sorten sein - wenn diese sinnvoll (Erntezeitpunkt, Geschmack...) zu einem Wein verarbeitet werden können.
Geplante Mostmenge: mind. 20l. Aufgrund der kleinen Fläche/Menge sollte der Ertrag nicht zu sehr schwanken. Ziel: gut trinkbarer, trockener Weiswein. Sollte mehr dabei heraus kommen, freue ich mich.

Nach meinen bisherigen Recherchen lohnt sich scheinbar nur eine der neuen, pilzresistenten Sorten. Welche Rolle spielt die Klimaveränderung, die für die Norddeutsche Tiefebene (an deren Rand ich mich befinde) zunehmend wärmere Sommer und geringere Niederschläge verheißt? Ich habe momentan folgende, v.a. noch recht "neue" Sorten in der engeren Wahl (absteigend gewichtet):

Johanniter - bisher meine Favoritin, aber ich las etwas von erhöhter Botrytisanfälligkeit. Reift die bei mir aus? Was ist in zehn Jahren?

Saphira - ich las mit Freude etwas von Ähnlichkeit zu Gewürztraminer, aber die Oidiumanfälligkeit scheint begrenzt und auf meinem Boden?

Solaris - dazu hat mir dreizehn schon einiges gesagt. Momentan wohl die einzige der aufgezählten, die bei mir vollreif würde. Frage: was ist damit in zehn Jahren?

Helios - erst jüngst auf der Liste erschienen, eigentlich bin ich kein Fan von Müller-Thurgau, womit Helios ähnlichkeit haben soll.

dreizehn hat mir bereits eine tolle, ausführliche Antwort in einem anderen Zusammenhang gegeben, die aber wieder weitere Fragen meinerseits provozierte - vielleicht ist es deshalb sinnvoll, hier weiter zu fragen, dann haben alle (oder zumindest mehrere) was davon.

Die Rebsortenbeschreibungen hier im Forum habe ich gelesen (@dreizehn: was bereits einige meiner weitergehenden Fragen beantwortet hat, vielen herzlichen Dank nochmal!)

Schöne Grüße

Suedhang
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fibroin
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Beitrag von fibroin »

Hallo Suedhang, was uns eint, ist, dass wir auf dem selben Breitengrad wohnen. Was aber dann wiederum nicht heißt, dass ich dir mit deinen Fragen erschöpfend helfen kann.

Deine Rebenauswahl, das ist das Dilemma, die wirst du wohl ganz allein bestimmen müssen. Denn das Kleinklima, was bei dir herrscht, das wirst du wohl am besten kennen. Ich würds so machen: Einfach die Reben, die dir zusagen pflanzen. Du wirst schon merken, ob die Anfälligkeiten wirklich kommen. Dann kannst du dich immer noch entscheiden, spritzen oder wieder ausreißen.

Was ist in zehn Jahren? Nicht schlecht diese Frage. In jedem Fall, dann weist du mehr. Reben, die das Klima mögen, die tragen dann wirklich gut. Andere sind dann schon nicht mehr da oder kränklen vor sich hin.

Ich habe mich in meiner Anzucht für Solaris, Regent und Dornfelder entschieden. Diese sind erst 2 Jahre alt und noch ist nicht zu erkennen, was es mal wird. Sonst habe ich Spalierreben unbekannter Sorte, die sind jetzt ca. 10 Jahre alt und haben in diesem Jahr pro Stock etwa 14 kg getragen. Leider ergibt das kein guter Wein. Das weiß ich jetzt ganz sicher. Aber Trauben gibt es nach 10 Jahren...

Vielleicht hilft dir mein Schreiben wenig, ich bin ein Mensch der Tat. Zu viel Überlegung bringt mich nicht weiter. Versuchs auch.
Wenn du dich wohlfühlst, mache dir keine Sorgen. Das geht wieder vorbei.
Tom
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Beitrag von Tom »



[Dieser Beitrag wurde am 31.07.2008 - 22:07 von Tom aktualisiert]
Tompson
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Beitrag von Tompson »

Hallo, selber Beitrag wie im Weinbauforum :D ;)

Vielleicht könntet Ihr ja Eure Gedankenaustausche hier mit herein kopieren, damit wir wissen, was bereits besprochen wurde :-x

Also, die erste Frage wäre ja, blau oder weiß. Scheint allein auf weiß hinauszulaufen.
Es gibt ja mittlerweile eine ganze Latte Piwis...

Ich meine, besser ich habe diese Meinung von 52GradNord übernommen, daß das Wichtigste das vollständige Ausreifen der Trauben ist.
Rebschutzmaßnahmen, das zeigt dieses Jahr, kann man auch bei Piwis nicht ganz ausschließen aber auch da gibts Unterschiede. Ich wohne in der heuer vergleichsweise sonnenverwöhnten Oberlausitz und habe nur wenige Ölflecken, währenddessen andere entlaubte Stöcke haben. Daher kann ich jetzt Deine Verweise "Was ist in 10 Jahren" genausowenig beantworten wie sicher Dreizehn.
Südwandhang hört sich jedenfalls ideal an. Kann die Sonne den ganzen Tag anliegen?

Johanniter: Ich habe hier einen Stock gepflanzt. Johanniter soll aber ähnlich Riesling spät reifen, weswegen das von mir selber als Versuchsballon gewertet wird. Außerdem ist er in diesem seinem 1. Standjahr durch widrige Umweltbedingungen (Unkraut, schlechter Boden, Trockenheit) nicht durchgestartet, was meine Erfahrungen nicht eben weiterbrachte ?-|
Ich würde Dir Johanniter nicht ausreden wollen aber auch nicht dazu raten, NUR Johanniter zu pflanzen.
Im Rebsortentaschenbuch steht außerdem, daß Johanniter spätfrostgefährdet ist, Deine Grundstücksbeschreibung mit den Hecken ringsherum könnte (wenn es noch höhere Lagen gibt) zu einem Kaltluftstau führen (@Dreizehn, was sagst Du dazu ?). "aber ich las etwas von erhöhter Botrytisanfälligkeit" Anderenseits beschreibt selbiges Buch diese Rebe als sehr pilzfest...
Ich würde es mit Johanniter an der Hausmauer versuchen. Wärmespeicher - weniger Frostgefahr und bessere Ausreifbedingung.

Solaris: Mh, ich bin geteilter Meinung über diese Rebe. Nicht, weil ich sie nicht mag aber letztes Jahr verrieselt, dieses Jahr erfroren ...
Ich glaube, im Weinbauforum hatte jemand die Kombination Solaris und Johanniter empfohlen, allerdings könnten die Reifezeitpunkte weit auseinander liegen, macht die Verarbeitung als gemeinsamen Wein schwieriger.

Saphira wird im Buch als dem weißen Burgunder ähnlich beschrieben, starkem Oidiumdruck nicht gewachsen. Vielleicht könnte Dreizehn hier mal anmerken, was "starker Druck" mit welchen Bedingungen ist... bin ich überhaupt noch nicht firm. :|
Reife ist allerdings auch wieder ziemlich spät, wobei aber auch der Austrieb spät ist.
Deine beschriebene Lage sollte ihm genügen, denke ich.
Meine Meinung: versuchs :twisted:
Oak ne jechn!
Suedhang
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Beitrag von Suedhang »

Tompson hat geschrieben: Hallo, selber Beitrag wie im Weinbauforum :D ;)
Hallo zusammen,

ja, so direkt wollte ich es nicht sagen. Da war die Resonanz nicht ganz so groß ;) .
Tompson hat geschrieben:Gedankenaustausche hier mit herein kopieren...
Gedankenaustausch wäre übertrieben, dreizehn hat mir dankenswerter Weise seine Erfahrungen geschildert und das war schonmal Gold wert. Ohne seine Zustimmung mag ich das nicht einfach hier posten. Inzwischen habe ich viel davon hier wiederentdeckt (war halt, bevor ich das Forum hier gefunden habe).

Mit "was ist in zehn Jahren" war übrigens weniger die Kultur an sich gemeint, als das sattsam bekannte Thema "Klimawandel". Wenn dreizehn bei seinen Solaris bereits in den letzten Jahren über 100° Öchsle hatte, stellt sich mir die Frage, ob wir hier um den 52ten nicht strammen Schrittes (klimatisch, den Boden habe ich ganz sicher nicht) in Richtung Riesling-Region wandern. Ein Experte erzählte in der SZ was von Riesling aus Dänemark im Jahr 2070. Dann läge ich in zehn Jahren mit der Johanniter vielleicht goldrichtig, während die Solaris eher zu früh reift. Andererseits sollten es schon mindestens 80, besser 90-100° Öchsle werden, um wirklich was damit anzufangen und ich habe keine Lust irgendeinen sauren Paul mit kiloweise Zucker versetzen und wer weiß wie entsäuern zu müssen, um auch nur ein halbwegs trinkbares Getränk herzustellen (ich will hier keinem Fruchtwein-Bereiter zu nahe treten, ich finde, da ist das legitim). Ich weiß, das auch die Profis mit Rübenzucker nachbessern - demnächst übrigens evtl. mit Süßreserve aus Solaris, falls die entsprechenden EU-Regelungen durchkommen - da wäre ich dann mit der angedachten Mischbepflanzung ganz weit vorn :D . Vielleicht wäre das tatsächlich eine Möglichkeit aber das die halbwegs gleichzeitig gelesen werden können, klappt garantiert nur in zwei von zehn Jahren... .

Also habe ich drei Alternativen:

1. nur Solaris.
Falls die in zehn Jahren zu breit werden oder im Juli die Wespen alles verputzen, neue Reben pflanzen. Fände ich blöd, weil die Pflanzen da eigentlich erst richtig interessant werden und ich müsste dann wieder zehn Jahre warten.

2. "draußen" zwei Reihen Solaris, zur Wand hin und unter den Carport Johanniter. Drauf hoffen, daß die Solaris die Unreife der Johanniter im September in den ersten Jahren kompensieren. Wenn es tatsächlich so warm wird, wie vermutet in zehn Jahren nur die Solaris roden und ersetzen.

3. nur Johanniter pflanzen. Wenn es wirklich so warm wird, bin ich fein raus, wenn nicht ärgere ich mich fünf Jahre lang schwarz und rupfe sie wieder raus, um Solaris (o.ä.) zu setzen.

:schlecht:

Langsam wird mir die Einstellung von fibroin sympathisch... .

Grundsätzlich sympathisiere ich mit Möglichkeit zwei (die eierlegende Wollmilchsau ;) ), fragt sich nur, wie ich in "schlechten" Jahren die Trauben(den Saft der Solaris aufbewahre, bis die Johanniter wenigstens ansatzweise reif sind.
Dreizehn
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Beitrag von Dreizehn »

Jetzt „habt“ ihr mich aber...

Zunächst mal freue ich mich, dass Suedhang nun auch hier ist, also, wllkommen. Weil unser Kontakt über das genannte Forum zustande kam und ich der Meinung war, dass seine Fragen dort kaum Beachtung finden dürften bzw. die Profis dort nicht interessiert, haben wir Antworten und Fragen per PM ausgetauscht.

Das nur mal zur Klarstellung, keine Geheimniskrämerei. Thomas, meine Antworten gehören Suedhang; ich habe aber überhaupt keine Einwände, wenn er die hier hineinkopiert.

@Suedhang: Wenn du das ebenso siehst, nur zu, habe jetzt gerade deine PM gelesen; also werden wir den Austausch hier weiterführen.

Zu deinen Fragen.

Erwärmung/Riesling-Region: Das schwirrt zwar gelegentlich durch die verbreiteten „Informationen“, aber selbst, wenn wir unterstellen, dass es mal so kommen könnte, wirst du deine Stöcke bis dahin schon mindestens einmal ausgetauscht haben – weil sie zu alt geworden sind, weil die Schadpilze bis dahin möglicherweise die Resistenzschwelle der Piwis überwunden haben und weil es bis dahin sicher noch bessere Piwi-Sorten geben dürfte, es steckt nämlich so einiges in der Pipeline. Also, ich empfehle, bei der Sortenentscheidung im Auge zu haben, was jetzt „geht“, und sie nicht davon abhängig zu machen, was möglicherweise in 20, 30 oder 50 Jahren optimal wäre.

Solaris und weniger tolerante Hefen: Habe ich nicht probiert. Es gibt meines Wissens nach keine geeigneten Hefen, die bei 12 vol% Schluss machen. Wenn man also trotz hoher Oechslegrade die Alcmenge nicht höher haben möchte, muss man die Gärung mit geeigneten Maßnahmen stoppen. Das bedingt aber u.a. eine EK-Filterung, und da ich meine Weine nicht filtere, lasse ich sie immer durchgären. Bin halt ein „trockener“ Typ.

109 °Oe und 15,1 vol% Alc: Die Oechslemessung stammt von mir, die Alkoholbestimmung vom Weinlabor. 109 °Oe ergäben rechnerisch rund 14,6 vol% Alc, da wird mein Refraktometer nicht ganz genau sein (oder ich habe nicht richtig gemessen), die Laborwerte werden sicher korrekt sein. 15,1 vol% Alc können aus 113 °Oe entstehen.

Ich schrieb, dass ich gespannt bin, wie der diesjährige Solaris mit 94 °Oe schmecken wird. Es gibt ja nun auch gärtnerische Möglichkeiten, die Oechslegrade herunterzubekommen – sehr viel Ertrag anschneiden, den Stöcken viel Laub nehmen bzw. die Laubwand niedrig halten, Reben sehr dicht pflanzen (wenig Wurzelraum), um mal einige Möglichkeiten zu nennen. Sowas ist aber immer ein zweischneidiges Schwert – was wäre dann, wenn sich ein Sommer von seiner „Schatten“seite zeigt? Also, Reife ist wichtig, und mit hohen Zuckerwerten muss man (manchmal) leben.

@Tom und Suedhang: Tom, Suedhang hat schon eine Rebsorte mit „merkwürdigem“ Geschmack. Mit Isabella käme er vom Regen in die Traufe. Auch wenn die Sorte sehr pilzresistent ist, halte ich sie für ungeeignet zur Weinbereitung, und darum geht es. Suedhang, lass’ die Finger von allen Sorten, die mit dem Attribut „Erdbeergeschmack, Tessinerton" oder ähnlichen Umschreibungen unter die Leute gebracht werden sollen.

So, und weil du die Phantomstadt Bielefeld erwähnt hast – Grüße aus dem Nichts,
Dreizehn

Nun bist du mir mit deinem letzten Beitrag zuvorgekommen. Ich schicke das hier aber mal trotzdem los.
Suedhang
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Beitrag von Suedhang »

Dreizehn hat geschrieben: meine Antworten gehören Suedhang; ich habe aber überhaupt keine Einwände, wenn er die hier hineinkopiert.
Vielen Dank für das schöne Geschenk, dann will ich es mal teilen, das ist ja der Sinn eines solchen Forums:
Frage, wie ganz oben, dann ein paar Nachhaker von mir, hier die zusammengefassten Antworten von dreizehn:
Dreizehn hat geschrieben:Was in unserer Gegend auch unter nicht optimalen Klimabedingungen ausreift, habe ich selbst herausfinden müssen, weil die üblichen Reifeangaben zu den Rebsorten immer den Standort in Weinbaulagen unterstellen (ich habe über viele Jahre mit etlichen Sorten experimentiert, vom Gutedel bis zum Spätburgunder). Das wird für dein Grundstück in Schwerte ähnlich gelten: ob also Johanniter, eine recht späte Sorte, bei dir ausreift, wird dir kaum jemand konkret beantworten können – ich vermute aber, eher nicht.

Die grundsätzlichen „Weisheiten“ werden dir bekannt sein: dass bei frühen Sorten die Chance auf Vollreife natürlich größer ist als bei späten (es kann da aber andere Probleme geben, z.B. Wespenfraß), und dass an Südhauswände gepflanzte Reben einen Entwicklungsvorsprung gegenüber Reben im Freiland haben (etwa 2–3 Wochen, nach eigener Beobachtung). Wie der Entwicklungsverlauf unter einem transparenten Dach im Vergleich zur freistehenden Drahtrahmenerziehung aussieht, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

Wenn du aus deinen Trauben einen eigenen Wein keltern möchtest, wirst du dann zusätzlich das Problem haben, dass die Trauben am Haus, von der Wiese und unter dem transparenten Dach zu unterschiedlichen Zeiten ausreifen. Du möchtest aber doch wohl gleichzeitig lesen, und wie du das unter einen Hut bekommst (auch evtl. mit unterschiedlichen Sorten, wobei hier die Frage ist, wieweit das weingeschmacklich befriedigt), keine Ahnung, das hängt auch sehr von örtlichen und klimatischen Gegebenheiten ab.

Zu den von dir erwähnten Sorten Johanniter, Saphira und Helios kann ich dir leider nichts sagen; da sie noch relativ neu sind, gibt es auch noch nicht so viele Erfahrungen, insbesondere nicht im Hobbyweinbau nördlich der Weinbaugebiete. Über eigene Erfahrungen verfüge ich bei Solaris, Regent, Bianca und Merzling.

Solaris: Sehr kräftig wachsend, sehr widerstandsfähig gegen Oidium und Peronospora, früh reifend, hohe Zuckerwerte bei stabiler Säure (mein bester Wert bislang am 25.09.06 = 109 °Oe, Säure 7,5 ‰, allerdings dadurch sehr alkohollastiger Wein mit 15,1 vol%), in diesem Jahr am 16.09. gelesen (wegen beginnender Fäule) mit 94 °Oe und 8 ‰ Säure. Nachteile: sehr früher Austrieb in der zweiten Aprilhälfte, dadurch spätfrostgefährdet, ewas chloroseempfindlich, viel Laubarbeit durch das starke Wachstum. Braucht deshalb auch größere Pflanzabstände (min. 1,2 m).

Regent: Reift bei mir etwa 2–3 Wochen später als Solaris. Durchschnittlich etwa 84 °Oe bei ebenfalls 7,5 ‰ Säure. In diesem Jahr nur 74 °Oe bei 6,5 ‰ Säure, Ursache war vorzeitiger heftiger Blattverlust durch Peronospora und unser „Sommer“wetter. Nachteile: Nicht besonders widerstandsfähig gegen Pilze. Zeigt starke Magnesiummangelsymptome, kann verrieseln, manchmal Stiellähme.

Bianca: Reift an der Südwand meines Hause aus, im Garten nicht. Sehr widerstandsfähig.

Merzling: Ich habe nur eine „Versuchsrebe“ im Garten, steht allerdings ungünstig und reift dort nicht aus.

Wie es bei mir im Garten aussieht, zeigt dieses Bild:

srv002.pixpack.net/2007100717572 … ebhqzd.jpg

Zu den Unterlagen: Die richtige Wahl hängt nicht nur vom Boden, sondern auch von den in Frage kommenden Rebsorten ab. Ich denke, dass 125AA, 5C oder SO4 passen könnten. Wenn du dich aber bei den Rebsorten entschieden hast, wird dir auch der Rebenveredler dazu den richtigen Rat geben.

Solaris auf Feld, Johanniter an Hauswand/unter Carport: Sicher hast du einen Reifevorsprung gegenüber dem Feld von 14 Tagen, das kann in manchen Jahren durchaus auch etwas mehr sein; in trockenen Herbsten wirst du die Solaris-Trauben auch etwas länger hängen lassen können, so dass du beide Sorten möglicherweise gemeinsam lesen könntest. Ob das aber so sein wird und wie das in ungünstigen Jahren aussieht, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Es gibt eigentlich nur 2 Wege: es mit Johanniter zu versuchen, aber diesen Versuch zunächst als Experiment betrachten, oder du entscheidest dich für eine frühere Sorte. Frage noch dazu: Was beeindruckt dich an der Johanniter? Hast du schon mal wein aus diesen Trauben getrunken?

Wenn du im Frühjahr 2008 pflanzt und sich die Reben normal entwickeln, hast du 2010 Ertrag. Wie sich das Klima in den nächsten Jahren hier verändern wird, weiß niemand so ganz genau. Ich glaube jedenfalls nicht, das es so rapide weitergeht, wie es in den letzten Jahren den Anschein hatte. Unter Weinbaugesichtspunkten war dieses Jahr hier in Bielefeld das schlechteste Jahr seit 2001.

Ich keltere Wein aus Regent und Solaris. Regent kann man hier kaufen, du kannst ja mal kosten. Wobei es da große Unterschiede zwischen den kaufbaren Regents gibt. Solariswein ist fruchtbetont, gelbe Früchte, etwas exotisch/Mango, und war mir bislang durch die hohen Oechslegrade zu alkoholbetont. Bin schon gespannt auf diesen Jahrgang mit 94 °Oe, der wird bei „nur“ etwa 12,5 vol% landen.
Tjajaja. Ich werde nochmal eine Nacht oder zwei drüber schlafen. Ist ja noch etwas Zeit. In den nächsten Wochen sollte ich allerdings den Boden wohl schonmal vorbereiten.

Vielen Dank erstmal an Euch alle!

Suedhang

[Dieser Beitrag wurde am 10.10.2007 - 17:42 von Suedhang aktualisiert]
Dreizehn
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Beitrag von Dreizehn »

Zu zwei Themen wollte ich noch etwas absondern.

Klima/Temperaturerwärmung: Auch wenn die Jahresdurchschnittstemperatur steigen sollte, ist das nicht gleichbedeutend mit besseren Bedingungen für den Weinbau. Beispiel: wenn wir mal einen ausgesprochenen Monsunwinter haben sollten, dürfte in dem Jahr die Durchschnittstemperatur signifikant steigen; leider hätten Reben nichts davon, weil die den Durchschnittswert beeinflussenden Temperaturen außerhalb ihrer Vergetationsperide liegen. Sollten dann auch noch häufiger Westwetterlagen den Sommer bestimmen, könnte das trotz der Temperaturerhöhung sogar nachteilige Auswirkungen haben.

Resistenzen: Die sind bei den einzelnen Sorten in unterschiedlicher Höhe vorhanden, das ist wohl allgemein klar. Boden, Standort, Düngung, Erziehungsform, Begrünung und nicht zuletzt das jeweilige Klima haben aber ebenso entscheidenden Einfluss. Was an einer Stelle geht, versagt an anderer – oder in manchen ist es Jahren problemlos, manchmal eben nicht. Grundsätzlich kann man sich aber an der genetisch bedingten Resistenzausprägung orientieren.

Grüße, Dreizehn
Tompson
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Beitrag von Tompson »

Tja, Suedhang, das isser. :P
Dreizehn läßt meist keine Frage offen und wer dank seiner nicht zum Winzer wird, ist selber schuld 8-)
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fibroin
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Beitrag von fibroin »

13 hat geschrieben:Suedhang hat schon eine Rebsorte mit „merkwürdigem“ Geschmack. Mit Isabella käme er vom Regen in die Traufe. Auch wenn die Sorte sehr pilzresistent ist, halte ich sie für ungeeignet zur Weinbereitung, und darum geht es. Suedhang, lass’ die Finger von allen Sorten, die mit dem Attribut „Erdbeergeschmack, Tessinerton" oder ähnlichen Umschreibungen unter die Leute gebracht werden sollen.
Ganz meiner Meinung! Auch meine oben erwähnten Trauben haben einen Fox-Ton. Immerhin kann man den Wein als Federweißen trinken. Jetzt habe ich in kurzer Zeit eine Menge zu verkosten...

Doch bis ich weiß, wie sich meine Neuanpflanzung entwickelt, lasse ich die Stöcke stehen. Immerhin das Wachstum im Jahresablauf zu beobachten, das macht mir Freude! Starkwüchsig und unkompliziert.
Wenn du dich wohlfühlst, mache dir keine Sorgen. Das geht wieder vorbei.
Suedhang
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Beitrag von Suedhang »

Hallo nochmal,

dreizehn hatte nach Bildern von der dubiosen Rebe gefragt, die momentan in meinem "Weinberg" wächst. Die kann ich nun endlich bieten. Sind vom letzten WE. Falls jemand eine Ahnung hat, was das sein könnte, würde ich mich freuen. Wenn sie die 70° Ö schafft, würde ich noch ein letztes mal versuchen, Wein draus zu machen. Nur um wieder in Übung zu kommen ;) .

Die Beeren sind eher mittelgroß und im Original etwas dunkler (der Blitz wird von der Staubschicht auf den Beeren reflektiert, im Hintergrund sieht man es etwas besser)


Die Trauben sind eher klein und lockerbeerig, vielleicht verrieselt sie aber auch immer:


In ihrer, na ja, halben Pracht:


Zu sehen auf dem letzten Bild die Ostecke. Einen ähnlichen Busch gibt es noch in der Mitte und einen in der etwas verschatteten Westecke der Wand. Dort gibts ein paar bräunliche Stellen auf den Blättern, sonst ist die Gute pumperlgsund. Allein: sie schmeckt ziemlich merkwürdig, fast künstlich.
Meine Vermutung; irgendeine wilde, vielleicht amerikanische Rebe (unter der Veredelung ausgeschlagen und gnadenlose per Steckling von Hand zu Hand weiter vermehrt).
Eventuellstens: eine Würz- oder Amromasorte aus Italien, die höchstens in Kleinstmengen beigefügt wird (Canaiolo, oder so).
Oder was ganz anderes, ich habe einfach null Ahnung davon.

Bitte nicht schimpfen: nachdem sie sich als Flopp erwiesen hatte und ich mich studien- und berufsbedingt nicht darum kümmern konnte, wird sie seit Jahren von meinem Vater mit der Heckenschere gepflegt. Das wird in Zukunft selbstredend anders aussehen.

Irgendwer hat gefragt, ob die Gefahr besteht, daß sich wegen der Hecken ein Kaltluftsee bildet. Klares Nein: nach Norden ist die Hauswand, die Hecken befinden sich im Osten und im Westen. Nach Süden liegt eine Zufahrt, die Wiese bedindet sich aber quasi als Terasse etwa 80cm über Straßenniveau. Dort stehen noch Büsche, die kommen aber weg und werden durch einen lichtdurchlässigen Zaun ersetzt. Dann habe ich quasi meine eigene Terasse im "Steilhang" :D :D :D .
Kleiner Wermuthstropfen: zwei Bäume im Südwesten. Aber man kann bekanntlich nicht alle haben... .
Dreizehn
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Beitrag von Dreizehn »

Suedhang hat geschrieben: ...Aber man kann bekanntlich nicht alles haben... .
So isch’s.

Die Rebsorte ist wahrscheinlich Isabella:

www.schweizerweinecke.ch/ampelog … bella.html

s. auch Farbatlas Rebsorten, 2. erw. Aufl. 1998, ISBN 3-8001-5719-5; Seite 141.

Evtl. auch Concord oder eine andere, aber sehr ähnliche amerikanische Labrusca-Hybride. Geschmack für mich hustensaftähnlich, gern auch als Erdbeer- oder Tessineraroma umschrieben, unter Ampelographen als Foxton bezeichnet. Kommt als alkoholisches Getränk gleich nach Brennspiritus ...

Charmant’s Nächtle, Dreizehn
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