Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

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Vine
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Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von Vine »

Ich habe schon mit Rosen schlechte Erfahrungen gemacht und beim Pflücken von Hagebutten mir Finger, Hände und Arme zerkratzt aber die Brombeere hat mir letztes Jahr den Rest gegeben!

Eigentlich wollte ich diese Geschichte am liebsten gar niemandem erzählen. Aber sei's drum. Nach bald einem Jahr muss man irgendwie darüber hinweg kommen und vielleicht hilft es mir ja dabei mein verbliebenes seelisches Trauma zu überwinden.

Wie der aufmerksame Forenleser weiß, war ich letztes Jahr mit Familie in der Toskana im Urlaub, sogar auf einem Weingut. Wir sind aber nicht wegen des Weines dort hin gefahren sondern einfach weil die Ferienwohnung wirklich nett aussah auf den Fotos und es zudem eben noch frei war. Das Weingut lag mitten im Herzen der Toskana und um uns herum nichts als Weinberge, Olivenhaine, Feigenbäume und Natur pur. Entsprechend oft haben wir Spaziergänge gemacht, seltene Pflanzen gesucht, die es bei uns nicht gibt usw. Tatsächlich konnte ich auch mit dem Weinbauer selbst ein wenig fachsimpeln ... so weit das mein Italienisch und sein Englisch zuließ. So lernte ich allerhand darüber, wie man Rotwein ordentlich verschneidet, wie man mit Holunderblüte eine blumige Note in den Wein bekommt und vieles mehr. Auch konnte ich einige gebrauchte Weinflaschen abstauben, die der gute Mann dann mit einem Lachen in die diversen Merck- oder Hoechst-Schachteln packte. So ein Rotwein ist wirklich die reinste Chemiebombe ;-) Aber ich schweife ab.
Bei einem unserer Ausflüge sehe ich eines Tages vom Auto aus einen kleinen Weg, wo jede Menge schwarzer Nachtschatten und noch andere interessante Pflanzen standen. Also kurz angehalten und geschaut ... Frauchen ist auch mit gegangen, die Kinder wollten lieber im Auto bleiben. Dieser kleine Weg, auf dem gerade mal ein Auto so durch passte, hatte wirklich allerhand zu bieten und so trieb es uns immer weiter hinein. Rechts von uns ein Tal und ebenso rechts sah ich zu meinem Verzücken wunderbarste Brombeeren stehen! Brombeeren so groß und schwarz und leuchtend, wie ich sie von uns her überhaupt nicht kenne – zumindest nicht in freier Wildbahn. Voll der Freude, ja Lust, gehe ich strahlend einen Schritt darauf zu, um mir die schönste Brombeere zu pflücken ... doch zu meinem jähen Erstaunen geht mein Tritt ins Nichts! Kein Untergrund! Zuerst denke ich, dass doch gleich was unter meinem Fuß kommen muss, doch dann realisiere ich, dass sich hier ein bodenloser Abgrund unter den scheinbar bodendeckenden Brombeeren befindet. Blitzschnell kippe ich mich nach rechts und drehe mich dabei um meine Achse, um nicht mit dem Gesicht in den Dornen zu landen – zugleich wird mir klar, dass das hier kein angenehmer Fall sein wird. Ein paar Bruchteile einer Sekunde später hänge ich rücklings in einem Bett aus Dornen. Autschn! Verdammter Mist! Bild Zu allem Überfluss hänge ich auch noch schräg und kopfunter. Und keinerlei Bodenkontakt, nichts, wo ich mich abstützen könnte. Unter mir der gähnende Abgrund!
Meinem Eheweyb stand glatt der Schreck ins Gesicht geschrieben. Ganz bleich stand sie mit schreckgeweiteten Augen da und faselte irgendetwas von wegen „weh getan“. „Aber nein, Schatz! Ich übe hier nur für meine neue Fakirnummer, die ich im Winter im Club vortragen möchte ...“ Sogleich bekam ihr Gesicht wieder etwas Farbe und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Die Gute! Während ich noch darüber sinnierte, welch ein Glück meine Frau doch hatte, dass sie ausgerechnet mich zu ihrem Angetrauten gewinnen konnte ... schließlich hat sie mit mir immer etwas zu Lachen und auch beruflich darf sie sich voll entfalten, nein, mir macht es wirklich nichts aus, wenn die Frau Geld verdient .. so lange es reichlich ist! Während dieser Gedanken also war meine Trautholdste bereits vorsichtig an den Rand des Abgrunds gekrochen und versuchte nun die gefährlichsten Dornenzweige in Gesichtsnähe zu entfernen, was dann auch gelang. Irgendwann war es über mir halbwegs dornenfrei und nun versuchte sie mich an meiner rechten Hand hochzuziehen. Nun, meine Liebste mag vom Wesen her überaus robust und charakterstark sein, jedoch ist sie körperlich eher zierlich gebaut. Dummer Weise verhält es sich bei mir selbst genau umgekehrt und so gestaltete sich das Aufziehen meines stattlichen Körpers als schwierig, ja schier unmöglich. Nach einigen liebevollen Aufmunterungen von ihr („Hör jetzt auf zu wimmern!“ ... „Nein, du musst nicht sterben!“ ... „Musst du dich auch so fett fressen?“) gelang es ihr irgendwie, mich wenigstens in eine halb sitzende Lage zu bringen, sodass mein Kopf nicht mehr gen Abgrund zeigte. Was aber meine Holde nicht wusste: Ich hatte keinerlei festen Boden unter mir und hing quasi frei in den Dornen schwebend über dem Abgrund. Das war von oben überhaupt nicht zu erkennen und durch den Dornenbewuchs musste man vermuten, dass dort irgendwo Grund hätte sein müssen. Die weiteren Versuche, mich aus dieser Lage herauszuholen, scheiterten. Irgendwann schaffte ich es, mich an den Rand des Abgrundes zu hangeln und ich hielt mich nun mit beiden Händen an der Kante fest. Erst jetzt konnte ich erkennen, dass es sich um eine senkrechte Mauer handelte.

Just in dem Moment, als ich die rettende Kante erreichte, kam ein Auto von rechts den Weg entlang. Einheimische, wie mir dünkte. Glotzen kurz blöd zu mir herunter und fuhren einfach weiter. Ärgerlich .. und auch peinlich irgendwie ... Und anstatt diese Leute anzuhalten und um Hilfe zu bitten, fiel meinem Weib nur ein, dass wir ja weiter vorne die Ausfahrt dieses Weges mit dem Auto versperrten. Pflichtbewusst raste sie einfach los, um den Weg frei zu machen ... und ließ mich in dieser nicht nur peinlichen, sondern auch peinigenden Situation einfach hängen. Was soll ich euch sagen? Da hing euer armer Vine, in Todesangst seine Finger in die Mauer krallend, um nicht abzustürzen. Wer ein wenig in Physik bewandert ist, kann sich vorstellen, dass man in senkrechter Lage weit weniger Dornenstütze erhält als wenn man mit seinem ganzen Körper breit darin liegt. Ich hing also fast nur noch an meinen Händen an der Mauerkante und meine Beine baumelten irgendwo im Freien, versuchend an der Mauer selbst noch etwas Halt zu bekommen, während noch einige Dornenäste in meinem Rücken hingen und mich jetzt gen Abgrund ziehen wollten. Gerade als mir die Kräfte langsam schwanden und ich mich meinem Schicksal eines viel zu frühen Todes, durch Absturz in eine Höllenschlucht, ergeben wollte, tauchte meine Herzallerliebste wieder auf, mit meinem Sohn Nr. 2 im Gepäck. Man muss wissen, dass mein Sohn nicht nur charakterlich, sondern auch körperlich eher nach mir kommt, mit seinen 14 Jahren jetzt schon eine stattliche Größe von 1,87m hat und somit auch entsprechend Kraft. Recht flink beförderten mich vier Hände über die Kante, wobei die Dornen mir von hinten das Fleisch ausrissen und sich von vorne neue in meinen Körper bohrten. Endlich war ich gerettet!
Nach dem gröbsten Entfernen der diversen Dornenzweige aus meinem Körper, klärte ich meine Holdste doch noch auf, dass es nicht so ganz nett war, mich da am Abgrund einfach hängen zu lassen. Schlitzaugen, zusammengezogene Augenbrauen, zunehmende Wangenrötung ... Bevor sie aber etwas sagen und sich entschuldigen konnte, führte ich sie nochmal vorsichtig an das Einsturzloch und tatsächlich waren das gut 5 bis 7 Meter senkrecht nach unten, was man von oben durch den Bewuchs absolut nicht hätte erkennen können. Auch wuchsen die Brombeeren wohl seitlich aus der Wand nach außen gen Tal. Mein Weib dachte tatsächlich, ich hätte festen Boden unter den Füßen gehabt als sie mich da hängen ließ. Das behauptet sie zumindest.

Noch ziemlich geschockt traten wir die Heimreise zu unserem Feriendomizil an, nicht ohne den Sitz des neuen Wagens ordentlich mit Blut zu besudeln, was mir später noch einige freundliche Kommentare einbrachte. Zuhause dann wurde euer armer Vine endlich gepflegt und erst von Hemd (völlig zerrissen und nur noch als Putzlumpen zu gebrauchen) und dann von etlichen Dornen befreit. Mannhaft ertrug ich die Prozedur, obwohl speziell die Behandlung meines armen Hinterteils diesbezüglich recht unangenehm war. Oh, ihr wisst gar nicht, wie schrecklich mein schöner Körper zugerichtet war. Und das alles nur, weil diese wunderbare Brombeere so strahlend leuchtete und mich lockte ... Seitdem ist mein Verhältnis zu Brombeeren sehr gespalten. Böse Biester, die einen erst ins Unheil locken und dann aber doch vor dem sicheren Tod bewahren ... wenn auch auf sehr schmerzhafte Weise. Manchmal höre ich die Brombeere nachts im Traum noch lachen ... auf Italienisch! In meinen schlimmsten Träumen singt sie sogar! Frei übersetzt etwa: „Dieser Sturz ... wird kein leichter sein ... dieser Sturz wird dornig und hart ...“
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Metinchen
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von Metinchen »

Göttliche Geschichte :D :clap:
Ich hoffe doch sehr das Du keinen bleibenden körperlichen Schaden genommen hast. . .
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fibroin
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von fibroin »

Es ist schon bekannt, dass die Brombeerernte ihren Bluttribut fordert. Meist ist es auf Arm und Hand begrenzt. Dein Erlebnis stellt dann alles in den Schatten.
Vine hat geschrieben:Böse Biester, die einen erst ins Unheil locken und dann aber doch vor dem sicheren Tod bewahren
Schön formuliert. ;)
Wenn du dich wohlfühlst, mache dir keine Sorgen. Das geht wieder vorbei.
aseeger66
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von aseeger66 »

Nicht nur die Geschichte fasziniert.... sondern auch die Art und Weise und die Ausschmückungen. Du solltest Autor werden, oder bist du das schon?
Tompson
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von Tompson »

Stets dran denken: Eine Hand für den Mann und eine für s Schiff ... ähm die Brombeere.
Dann wirds auch was mit dem Wein ;-)

Ich weiß, ich hab gut reden. :D
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von 420 »

Schön geschrieben - Kompliment - aber dennoch kann ich gerne auf solche Erlebnisse verzichten. :D

VG
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Vine
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von Vine »

Vielen Dank!

@Metinchen: Na ja.. die Dornen sind ja hauptsächlich von hinten eingedrungen. Das Gesicht habe ich durchs Umdrehen geschützt und andere edlere Teile konnte ich durch geschicktes Zusammenkneifen der Hinterbacken von den Dornen fern halten Bild Von hinten sehe ich mich selbst ja selten .. also nein, der bleibende Schaden betrifft eher mein armes Seelchen Bild Körperlich tat das etwa drei Tage weh, dann gings wieder. Und eventuell verbliebene Narben machen mich nur noch männlicher ... und begehrenswerter :D

@aseeger66: Die Frage nach dem Autor hatten wir schon mal .. glaub hier:

http://forum.fruchtweinkeller.de/viewto ... 47&t=11347

Also kurz: Nein ;)

Eigentlich wollte ich euch noch das Loch präsentieren. Also das Einsturzloch. Ich bin am Ende dieses Urlaubs nochmal hin und hab mir das nochmal angesehen. Zu meiner Schande konnte ich das Bild, das ich davon gemacht habe, jetzt nicht mehr finden ... aber die Schmach ist auch so schon genug!
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Professore
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von Professore »

Vine hat geschrieben: Also kurz: Nein ;)
Gut, Spass am Schreiben muss aber da sein. Und was nicht ist, kann ja noch werden.
Wenn Du so weiter machst, dann wird es eng mit den maximal 60.000 Zeichen / Post.

:mrgreen:

Jochen
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Metinchen
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von Metinchen »

Professore hat geschrieben:

Wenn Du so weiter machst, dann wird es eng mit den maximal 60.000 Zeichen / Post.

Ach, in der Länge ist es sowieso sinnvoll das Ganze in Kapitel zu unterteilen, dann kann er ja für jedes Kapitel einen neuen Post nehmen.... :pfeif:
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Vine
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von Vine »

Na gut, na gut ... eigentlich wollte ich nur ein bisschen Mitleid :mrgreen: Aber wenn ihr mich unbedingt zum Autor machen wollt, dann ... ja dann fange ich doch mal an meine Memoiren als Weinbereiter zu schreiben. Nach knapp einem Jahr wird es auch höchste Zeit :D Ich seh schon das Gesicht meiner Holdsten, wenn ich ihr das eröffne ... oder erst das vom Cheffe, wenn ich meine Ergüsse hier auf seinem Forum jenseits dieser ominösen 60000-Zeichen-Grenze zu Testzwecken poste :lol:
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milton
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Re: Warum ich mit Brombeeren auf Kriegsfuß stehe ...

Beitrag von milton »

Üble Geschichte. Ich beschäftige mich relativ viel mit Neophyten. Ich glaube die Brombeere ist auch einfach ein Neophyt und gehört hier gar nicht hin.
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