Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Orestes
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Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Orestes »

So, da es scheinbar kein festes Rezept gibt, werde ich hier mal ein sehr ausführliches Tagebuch anlegen:

Ernte:
Die Felsenbirnen reifen nicht sehr synchron. Die ersten reifen Birnchen gibt es ab Mitte Juni zu pflücken. Verteilt über 3 Wochen bin ich also alle 4-6 Tage losgezogen und habe immer die vollreifen, blau-schwazen Beeren gesammelt. Diese habe ich dann gewaschen und eingefroren.
Das Pflücken verlief problemlos. Ich habe einige sehr reich fruchtende, große Baum/Büsche gefunden. An diesen saßen die Birnchen in Tauben von 5 bis 20 Früchten. Sie lassen sich dabei einfach mit einem Griff abnehmen. Angenehmerweise bleiben die Stängel dabei am Baum. Man hat so nur die Beeren in der Hand. Zudem sitzen die unreifen Beeren fester. Man kann also mit etwas Feingefühl mit jedem Griff 5-10 vollreife Beeren ohne "Störfaktoren" zupfen. Ab und an mal eine rote, nicht reife, oder einen Stängel abzupfen, aber an sonsten hat man schnell nur "reine Ware" gepflückt. Bei gutem Standort erhält man bis zu 2 kg pro Stunde. Auf diese Weise habe ich insgesamt 5,4 kg Birnen eingefroren, und dazu 250 g Kirschen und 150 g rote Johannisbeeren, weil die nun mal im Weg waren. Die landen jetzt halt mit im Wein, aber ich denke die gehen unter bei der Birnenmasse.
Wichtig ist folgendes beim Pflücken: Es gibt große Unterschiede zwischen verschiedenen Sträuchern. Ich habe kleinere Bäume gefunden, da saßen die Birnchen einzeln und fest. Beim Pflücken hatte man immer den Stiel in der Hand. Hier 5 kg zu Pflücken hätte ewig gedauert. Und andere Sträucher... naja, wie oben beschrieben. Suchen nach dem richtigen Baum lohnt also! Welche Art Felsenbirnen ich habe (Kupfer oder gewöhnliche) weiß ich dabei nicht.

Der Vorabend der Vergärung:
Maischefass 15 Liter gespült mit heißem Soda, nachgespült mit kochendem Wasser
Die 5,8 kg gefrorenes Obst in das Fass gefüllt.
Dazu nochmal 1,2 kg frische Felsenbirnen. Diese sind teils in einem leichten Rosinenstadium
Gärspund mit Schwefellösung drauf, 24 Stunden auftauen lassen
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JasonOgg
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von JasonOgg »

Was beneide ich Dich um deine Sträucher. Wenn hier die Tauben beschlossen haben, dass sie reif sind, dann sind sie den nächsten Tag leer.

Bitte schreib weiter. Ich bin mal aufd en Säuregehalt gespannt.
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Orestes
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Orestes »

Analytik und Abschätzungen

Folgende Zusammensetzung der Beeren erwarte ich, gemäß der Veröffentlichung:
Nutritional values of new Czech cultivars of Saskatoon berries (Amelanchier alnifolia Nutt.)
Von O. Rop et. al.; Hort. Sci. (Prague) Vol. 39, 2012, No. 3: 123–128
Die hier beschriebene Art ist die Erlenblätterige Felsenbirne. Also eine etwas andere Art.

15,5% Brix (Zucker?)
21% Trockenmasse
1,4g Maleinsäure-Äquivalent/kg
9% Protein
1,1% Pektine (unbekannter Methylierungsgrad)

Daraus ergibt sich eine maximale Methanol-Menge bei 90% Veresterung und 14% Vol:
950 mg/100 ml Reinalkohol

Der gesetzliche Grenzwert für Birnenbrand liegt bei:
1350 mg/100 ml Reinalkohol

Methanol sollte also kein Problem sein. Selbst wenn meine Birnchen etwas mehr Pektin haben, ist alles safe.

Der Tag des Ansatzes

Gärstarter: 500 ml Apfelsaft plus 5 g Portweinhefe (trocken)
Früchte (7 kg) noch recht kalt, grob zermatschen mit Kartoffelstampfer, um die Kerne nicht zu zerstören
1 kg Zucker lösen in 1 l Wasser (auf 45 °C) --> Zugabe zu Früchten
Gemisch hat 22°C --> passt
3 l destilliertes Wasser dazu (Raumtemp)
4 g Nährsalz, 20 ml Antigel dazu
250 ml Gärstarter (~1 h gegärt)
Gesamtzucker ~ 2 kg

Die anderen 250 ml sind in einen anderen Wein gewandert, den stelle ich bei den Met-Tagebüchern Morgen vor.
Die Birnchen hatten keinen Schimmel, also habe ich auf Vorab-Schwefelung verzichtet.
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Orestes hat geschrieben:Analytik und Abschätzungen

Daraus ergibt sich eine maximale Methanol-Menge bei 90% Veresterung und 14% Vol:
950 mg/100 ml Reinalkohol

Der gesetzliche Grenzwert für Birnenbrand liegt bei:
1350 mg/100 ml Reinalkohol

Methanol sollte also kein Problem sein. Selbst wenn meine Birnchen etwas mehr Pektin haben, ist alles safe.
Na, hoffentlich lesen deine Felsenbirnen mit. Und rechne uns das bitte vor.

Den Vergleich mit den Birnen verstehe ich nicht.
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Orestes »

Das Methanolthema habe ich mal im Maischegärungs-Unterforum etwas angeschnitten, da es ja allgemein von Interesse ist. Mehr, inklusive Rechnung, findet sich also dort.

zum FeBi Wein: Heute gibt es erste CO2-Bildung, schon 12 Stunden nach Zugabe des Gärstarters. Die Früchte beginnen aufzutreiben und es blubbert hier und da im Spund. Noch recht schwach, aber merklich.
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Dann auch hier der Hinweis: Es gibt bei den "Gespenstern und Wiederkehrern" interessante Artikel, auch zum Thema Methanol. Die dürfen und sollen gelesen werden. Danke ;)
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Orestes »

Schon 12 Stunden nach Zugabe der Hefe habe ich erste CO2 Produktion.
Nach 24 Stunden blubberte es dann deutlich.
Dies hielt sich etwa bis Tag 6. Da wurde die Gärung dann deutlich Langsamer.
CO2 blubbs waren hier schwerer zu zählen, dank des größeren Fassspundes.

An Tag 6 wollte ich dann eigentlich apressen, habe aber gemerkt, das mir eine passende Gärkappe fehlt! Also schnell eine bestellt und 500 g Zucker dazu.

Die Gärung ging gut weiter bis Tag 9 (heute), wo ich dann auch die neue Gärkappe hatte. Weil es Terminlich gut passt, habe ich mich entschieden, abzupressen, auch wenn noch CO2 Produktion da war.

Das Abpressen war eine Plackerei und Schweinerei. Ich habe das in der Dusche gemacht. Die einzig richtige Entscheidung. Viele der Beeren waren noch fast intakt. Ich hoffe die Extraktion war trotzdem Effektiv. Retrospektiv wäre es vielleicht besser gewesen, am Anfang die Birnchen leicht mit dem Pürierstab zu bearbeiten. Nicht komplett passieren, sondern nur grob anheckseln. So oder so, nachher habe ich mich und all mein Equipment in der Dusche zusammen geduscht.

Der Wein ist Farblich sehr schön. Wie ein klassischer Rotwein. Auch geschmacklich hat er, so weit man das halt sagen kann, Potential.

Alkoholgehalt ist bei 11 % Vol, der Säuregehalt bei 4-4,5 g/liter
Nachgebessert habe ich das mit 25 ml 80% Milchsäure und 15 g Zitronensäure.
Ich habe dann nochmal 500 ml Wasser zugegeben, es sollte sich also ein Säuregehalt von um die 7,5 g/liter ergeben.
Anschliessend wurden 300 g Zucker nachgefüttert.
Orestes
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Orestes »

14.09.14
Soo, es geht langsam dem Ende zu.
Insgesamt ist der Wein nun bei fast 15%, rechnerisch sind etwa 3400 g Zucker drin. Ich vermute aber, das es auch weniger sein könnte, da dies besser zum Alkoholgehalt passen würde und ich den Zuckergehalt der Felsenbirnen eh nur grob kenne. Da ist also Spielraum.
Es gibt noch gaaanz schwache CO2 Bildung (alle 5-10 min ein Blubb), und die Restsüsse verändert sich gefühlt nicht mehr.

Geschmacklich erinnert das ganze sehr an einen klassischen (Trauben) Rotwein. Er hat mir noch etwas viel Restsüsse, aber ich denke es wird nach Abstich, Klärung und Lagerung passen. Dazu kommt ein leicht erdiger Geschmack, der vielleicht von den Kelchblattresten an den Birnchen kommt. Anfang/Mitte der Gärung war der erdige Geschmack ein wenig zu prägnant, aber er geht langsam zurück und ist mittlerweile ehr angenehm-interressant als störend. Farblich ist er noch immer Dunkelrot-Lila. Relativ dunkel verglichen mit den meißten Rotweinen, aber natürlich merklich heller als Holunderbeere.

Ich denke nächstes Wochenende kommt er in den Kühlschrank und danach zum aAbstich von der Hefe. Ich bin echt neugierig. Habe wirklich Hoffnung.
Nathea
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Nathea »

Gibt es zur Felsenbirne schon Neuigkeiten? Eventuelle Geschmacksproben zwischendurch?

Es gibt eine Ecke hier im Garten, für die ich noch eine passende, möglichst fruchttragende Pflanze suche, und da käme eine Felsenbirne durchaus in die engere Wahl, wenn sich's lohnt.

Viele Grüße,
Sylvia
Orestes
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Orestes »

25.09.14:
+1g Kaliumpyrosulfit, rein in den Kühlschrank

03.10.14:
erster Abstich, sehr viel Verlust wegen Extrem viel Trub, nochmal in Kühli

11.10.14:
Abstich 2, kaum Verlust, minimal NaAsc dabei wegen der vielen Luft im Ballon
Recht trocken: +30g Zucker

Nun ist Dezember... ich hoffe die restliche Hefe, der Gärspund und das Natriumascorbat haben den Wein geschützt, denn der Ballon war nur zu zwei dritteln voll. Bald werde ich abfüllen. Ende Januar werde ich dann die erste Flasche köpfen!
Orestes
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Orestes »

So, heute (naja, mittlerweile schon gestern) kam der Wein in die Flasche. Nachdem es beim Abstich extrem viel Bodensatz gab, gab es jetzt fast keinen. Der Wein war schon fast klar. Da ich aber noch zwei andere Weine mitgefiltert habe, trotzdem das volle Programm.

Erstmal NaAscorbar und Pyrosulfit dazu (je 1g), dann Filtern:
Grob --> Sehr Fein --> EK 0,45 µM
Da er der dritte Ansatz war, der durch die Schichten ging, war es am ende etwas träge beim EK filtern. Erster Ansatz waren 10l Karamellmet, danach 9 liter Sommernachtstraum, und dann dieser hier (waren nur noch 7,5 liter).
Die Resstsüsse ist etwas hoch, sollte aber passen wenn 1/3 davon "verschwindet". Ausserdem hat er mit 14%-15% Vol und 7,5 g/l säure genug in allen Ecken des Dreiecks zu bieten.

Geschmacklich hat er etwas ganz eigenes, vielleicht speziell Felsenbirnig, vielleicht von den vielen Trockenen Kelchblättern an den Birnen... etwas erdiges. Dieser Geschmack ist aber nicht penetrant, sondern ehr interessant. Mal sehen wie es sich entwickelt. Geworden sind es am ende 9 Flaschen zu 0,75l und eine zu 0,5l. Farblich ist er schön kräftig rot. Dunkler als der Sommernachtstraum, aber natürlich nicht so toll dunkel wie ein Holunderbeerenmet.

Und hier noch mein Laborbucheintrag, für die TL,DR Fraktion:
29.12.14:
+1g NaAsc, +1g KaPyrosulfit
Restsüsse etwas hoch, passt aber wenns um 1/3 zurück geht
Filtern Grob --> Sehr Fein --> EK 0,45 µm
9 grüne Bordeaux, 1x Bier-Bügel-Flasche
Oenivini
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Re: Weintagebuch mit Rezept: Felsenbirne

Beitrag von Oenivini »

Guten Tag zusammen!
Habe heute tatsächlich einen Felsenbirnenstrauch entdeckt 😊 In Ermangelung einer ausreichenden Menge an Johannisbeeren möchte ich ca . 1/2 -1/2 an Früchten ansetzen. Alsoooooo, die kleinen Dinger schmecken echt gut… wie nun aber das Rezept anpassen?!🧐
Bitte um Ratschläge 👋 vielen Dank
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