Lager-Aroma vs. Luftgeschmack

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Kirschwein
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Lager-Aroma vs. Luftgeschmack

Beitrag von Kirschwein »

Hallo,

ich hab mal eine Frage zur längeren Lagerung von Weinen. Also 5-6 Jahre und mehr.

Ich war gestern auf einer Feier, wo wir aus Jux mehrere Flaschen Weißwein aufgemacht haben von Jahrgängen von 2004 bis 2007, die allesamt - leider - aufrecht bei Zimmertemperatur und Tageslicht gelagert wurden. Natürlich waren die alle komplett oxidiert, mit penetrantem Luftgeruch und einem öligen, fast ranzigen Luftgeschmack.

Da kam dann gestern in der Runde die Behauptung auf, dass man, abgesehen von Rotweinen, so oder so die meisten Weine nach fünf Jahren wegkippen kann, weil sie dann umgekippt sind.

Jetzt habe ich aus Neugier heute abend mal eine Flasche von meinem ersten Muskateller-Roséwein aus dem Jahr 2009 aufgemacht. Der wurde natürlich viel besser gelagert, bei konstant ca. 12-14°C liegend, trocken und dunkel, verkorkt mit Twin-Korken und mit einer Aluminium-Kapsel versehen. Ausgebaut habe ich ihn damals trocken, und er hatte 13% Alkohol bei ca. 8 g/l Säure.

Momentan hat sich noch nicht das ganze Aroma entfaltet (immerhin hat der Wein sechs Jahre nicht geatmet), aber ich habe so einen leichten "erdigen" Ton da drin... will nicht sagen, dass es wirklich oxidiert schmeckt, aber es ist in der Tat ein Geschmackston den er damals beim Verkorken noch nicht hatte, und auch vor zwei Jahren als ich das letzte Mal eine Flasche geöffnet habe noch nicht.

Sind die Übergänge zwischen Lageraroma und Oxidation fließend? Kann man einen gut geschwefelten, gerbstoffreichen Roséwein auch länger als fünf Jahre bei guten Bedingungen lagern?
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Re: Lager-Aroma vs. Luftgeschmack

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Zunächst einmal ist eine stehende Position der Flasche sogar vorteilhaft, wurde hier schon mehrfach thematisiert.

Und natürlich sind die Übergänge fließend; je nach Weinsorte und Gerbstoffgehalt. Manche Weine überleben fünf Jahre, andere eher nicht. Da eine allgemeingültige Regel aufstellen zu wollen ist wenig zielführend.
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Re: Lager-Aroma vs. Luftgeschmack

Beitrag von 420 »

Licht, Wärme und viele Temperaturschwankungen sind tödlich für einen Wein. Und Weine können auch länger als 5-6 Jahre lagern. Schlehe, Quitte und weitere gerbstoffreiche Weine sind dafür prädestiniert.

So habe ich vor ein paar Jahren die letzte Flasche Holunderblütenwein geöffnet. Oxidiert - klar, aber noch trinkbar und.... die Holunderblüte kam immer noch sehr gut durch und das nach mehr als 20 Jahren.

Im Augenblick ist noch eine Schlehe von 2012, die sicherlich noch 1 Jahr liegen kann, bevor der langsame Verzehr einsetzen kann.

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Re: Lager-Aroma vs. Luftgeschmack

Beitrag von Kirschwein »

420 hat geschrieben:Und Weine können auch länger als 5-6 Jahre lagern. Schlehe, Quitte und weitere gerbstoffreiche Weine sind dafür prädestiniert
Ich habe noch eine einzige Flasche aus meinem ersten Quitten-Jahrgang, das war Ernte 2010. Die ist natürlich zu schade um sie "einfach mal so" aufzumachen, aber zumindest kann ich sagen, dass der Wein in ihr immer noch die schöne helle zitronengelbe Farbe hat wie bei der Abfüllung. Soweit ich weiß, äußert sich ja Oxidation auch durch "Braunwerden".

Bei meinem ersten Roséwein, den ich ja heute hier geöffnet habe, habe ich damals weder eine Tannin-Fällung noch eine Entsäuerung gemacht. Und ich habe ihn recht ordentlich geschwefelt. Meine darauf folgenden Rosé-Jahrgänge (2011, 2014 und 2015 gabs jeweils genug Trauben zur Weinherstellung) waren "handwerklich" ausgefeilter, aber dies bedeutet eben auch dass ich Säure und Gerbstoffe verringert/gefällt habe und vor dem Abfüllen ausreichend, aber zurückhaltend geschwefelt habe. Bin mal gespannt wie diese sich entwickeln. Vom 2011er Jahrgang hatte ich glaube ich letztes Jahr mal eine Flasche offen, und der hat noch sehr gut geschmeckt. Schon ein wenig "erdig", aber auf keinen Fall oxidiert.
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Re: Lager-Aroma vs. Luftgeschmack

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Kirschwein hat geschrieben:
420 hat geschrieben:. Meine darauf folgenden Rosé-Jahrgänge (2011, 2014 und 2015 gabs jeweils genug Trauben zur Weinherstellung) waren "handwerklich" ausgefeilter, aber dies bedeutet eben auch dass ich Säure und Gerbstoffe verringert/gefällt habe und vor dem Abfüllen ausreichend, aber zurückhaltend geschwefelt habe.
Solange du nicht freien und gebundenen Schwefel bestimmt hast lässt "ordentlich geschwefelt" oder "zurückhaltend geschwefelt" wenig Rückschluss auf die die Lagerfähigkeit zu.
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Re: Lager-Aroma vs. Luftgeschmack

Beitrag von Kirschwein »

Fruchtweinkeller hat geschrieben:Solange du nicht freien und gebundenen Schwefel bestimmt hast lässt "ordentlich geschwefelt" oder "zurückhaltend geschwefelt" wenig Rückschluss auf die die Lagerfähigkeit zu.
Das ist natürlich richtig. Ich habe freien und gebundenen Schwefel glaube ich noch nie richtig bestimmt (obwohl ich glaube ich sogar irgendwo zwischen meinen "Gerätschaften" noch ein Jod-Fläschchen stehen habe). Ich weiß nur, dass ich bei meinem Rosé den ich heute abend aufgemacht hab damals etwas über 0,125 g/l Kaliumpyrosulfit hinzugegeben habe vor der Abfüllung, und in den Jahren danach bei den darauf folgenden Jahrgängen meistens so 0,05-0,1 g/l. Die 0,5 g/l haben sich (auch bei anderen Fruchtweinen) meistens als zuwenig herausgestellt, ich hatte mit so einer geringen Schwefelung oft Nachgärungen und musste neu filtern.

Jetzt wo der Wein seit etwa einer Stunde offen ist, entfaltet sich übrigens nach und nach das Aroma, auch durch wiederholtes Schwenken im Glas. Der Wein hat einen Beigeschmack, den man bei einer höheren Konzentration wohl als Oxidation bezeichnen würde... aber bei diesem Wein hier ist er noch "an der Grenze". Hinzu kommt ja noch, dass es ein Muskateller ist. Will nicht sagen, dass der Muskatton so schmeckt wie Oxidation, aber durch diese zusätzliche Geschmackskomponente ist es noch zusätzlich etwas "knifflig", zweifelsfrei einen Luft- oder Alterungston auszumachen.

Es kann vielleicht trotzdem nicht schaden, wenn ich meine fünf verbliebenen Flaschen vom 2011er Muskateller-Rosé im Laufe des Jahres verköstige.
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