Halbtoten Brombeerwein wiederbeleben?

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Raufbold
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Halbtoten Brombeerwein wiederbeleben?

Beitrag von Raufbold »

Hallo zusammen,
ich bräuchte mal einen guten Rat, wie ihr in der Situation verfahren würdet:

Haben am 31.07. einen Brombeerwein angesetzt, ca. 23l. Die Gärung verlief extrem stürmisch (das CO2 hat so durch den Spund geballert, dass an Zählen nicht zu denken war :D In der Küche war es auch rel. warm, 24-26°C, je nach Situation. Das wird dazu beigetragen haben. Auf jeden Fall war nach einigen Tagen die Luft raus, das hätte man absehen können - wir haben es aber erst sehr spät gemerkt^^

Naja, als es nach 10 Tagen zum Abmaischen ging, gab es nur alle 16 Minuten einen Blubb. Der Wein war auch sauer ohne Ende, Zucker war definitiv keiner mehr drin. Eine (ungenaue) Messung ergab 13-14g/l. Der Alk lag bei ca. 11%Vol. So einen Extremfall hatten wir noch nie.

Nach dem Abmaischen habe ich das Volumen soweit verdünnt, dass die Säure bei 11g/l (noch immer viel, ich weiß...) liegen sollte. Der Alk ist auf 9%Vol. gesunken. Also habe ich 1,9kg Zucker zugegeben, um final auf 12%Vol. zu kommen.

So, nun das Problem: Da gärt praktisch nix mehr an. Ganz dezent sieht man ab und an ein Bläschen aufsteigen, aber mit dem selben Spund sind es nun 13 Minuten pro Blubb (nach 48h).

Wie sollte ich eurer Meinung nach weiter verfahren? Momentan ist das ja kein trinkbarer Wein, so kann das nicht bleiben.

Mein Plan ist, dass ich den Wein von der alten Hefe absteche und einen frischen Gärstarter reinkippe. Dazu folgende Überlegungen: Die Hefe im Gärtstarter etwas länger kultivieren, da sich vermutlich auch die frische Hefe wg. dem Alkoholgehalt schlecht vermehren wird.

Soll ich vorher nochmal abschwefeln und alles sacken lassen? Andererseits, hemmt das nicht zu sehr die frische Hefe? Lange will ich den Wein nicht mehr auf der Hefe stehen lassen. Was ist mit zusätzlichem Hefenährsalz? Braucht die frische Hefe das?

Viele Grüße und herzlichen Dank!
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CaptainPatrick
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Re: Halbtoten Brombeerwein wiederbeleben?

Beitrag von CaptainPatrick »

48h warten ist kurz. Wart ne Woche und schau ob es wieder weniger Süße hat. Was nutzt du für ein Gärgefäß? 23l im Gäreimer? Ich hab gerade 20l Birnenwein im 30l Gäreimer. Da tut sich im Röhrchen auch nichts mehr (ein Blubb alle 30-90 Minuten meist beim Türöffnen). Trotzdem verarbeitet die Hefe wöchentlich ihre 400g Zucker.

Also abwarten und schmecken (!). Kann mir nicht vorstellen das deine Vorschläge da was verbessern, eher verschlechtern.
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Fruchtweinkeller
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Re: Halbtoten Brombeerwein wiederbeleben?

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Sehe ich auch so, erst mal abwarten. Im schlimmsten Fall verschlimmerst du dein Gärproblem (wenn überhaupt vorhanden) mit solchen überstürzten Aktionen nur. Immer dran denken: Die Gäraktivität wird mit steigendem Alkoholgehalt ohnehin geringer, zudem hast du beim Abpressen sehr viel CO2 ausgetrieben. Dieses "Reservoir" muss erst einmal gefüllt werden bevor es wieder stärker blubbert.
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Raufbold
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Re: Halbtoten Brombeerwein wiederbeleben?

Beitrag von Raufbold »

Danke euch für die Antworten. Ja, das mit dem CO2-Reservoir ist wohl war. Hab den 23l-Ansatz in einem 25l-Ballon, Schaumbildung ist zu beobachten.

Meine Sorge ist bloß, dass es auf einen Böckser hinausläuft. Wobei ich gleich mal eine Frage in den Raum werfe, die mich schon länger beschäftigt: Wie verhält es sich mit dem Lebenszyklus der Hefezellen? Eine Vermehrung findet ja hauptsächlich zu Beginn statt und wird mit zunehmendem Alkoholgehalt (wenn das der Faktor ist?) eingestellt. Noch dazu arbeiten sie mit steigendem Alkoholgehalt langsamer. Wenn sterben sie aber? Wie lange halten sie es ohne Futter aus?

Soll ich eigentlich noch täglich schütteln oder ist das kontraproduktiv?

@NeoArmageddon: Ein Blubb alle 30-90 Minuten klingt aber schon arg kritisch. Da hätte ich schon lange abgestochen bzw. bei gegebener Restsüße der Hefe ihre Alkoholtoleranzgrenze attestiert. Wirkt sich das denn nicht geschmacklich aus? Wie kommst du dazu, so vorzugehen? Würde mich mal interessieren, was da für eine Philosophie dahinter steckt.
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CaptainPatrick
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Re: Halbtoten Brombeerwein wiederbeleben?

Beitrag von CaptainPatrick »

Raufbold hat geschrieben:Wobei ich gleich mal eine Frage in den Raum werfe, die mich schon länger beschäftigt: Wie verhält es sich mit dem Lebenszyklus der Hefezellen? Eine Vermehrung findet ja hauptsächlich zu Beginn statt und wird mit zunehmendem Alkoholgehalt (wenn das der Faktor ist?) eingestellt. Noch dazu arbeiten sie mit steigendem Alkoholgehalt langsamer. Wenn sterben sie aber? Wie lange halten sie es ohne Futter aus?
Die Vermehrung ist am Anfang am stärksten, da es wenig Hefezellen in guter Umgebung mit vielen Nährstoffen gibt. Irgendwann sind die Nährstoffe nicht mehr in der Flüssigkeit/Früchten sondern in den Hefezellen gebunden und die Hefe kann sich nicht mehr weiter vermehren, da es schlicht an wichtigen Stoffen fehlt. Stirbt aber nun eine Hefezelle, gehen die Nährstoffe wieder in Lösung über und andere Zellen können sich wieder vermehren. Folglich hört die Vermehrung nicht auf, sie hat nur ein Gleichgewicht zwischen Absterben und Vermehren erreicht.
Alkoholgehalt und andere Faktoren nehmen Einfluss auf die Geschwindigkeit dieser Prozesse und wie gut die Hefen allgemein den Zucker verstoffwechseln.
Schau mal wie lange deine Flüssig- oder Trockenhefe ohne Nahrung und ggf. in Alkoholhaltiger Suspension überlebt hat (1-2 Jahre Lagerzeit). Während der Gärung schaffst du vermutlich kein Massensterben in deinem Wein auszulösen.

Problematisch wird es, wenn die Hefe sich durch Alkoholtoleranzstress (tolles Wort) und ggf. Schwefelpulver etc gar nicht mehr vermehren kann und die natürliche Absterberate überwiegt. Dann gehen alle Stoffe aus der Hefe wieder in den Wein, was man nicht möchte (deswegen nach 2 Wochen abziehen um auf Nummer sicher zu gehen).

Wann genau sowas passiert können dir die Leute mit mehr Paxiserfahrung sagen ;)

Disclaimer: Ich bin Physiker und kein Mikrobiologe. Hab also keine Ahnung.
Raufbold hat geschrieben:@NeoArmageddon: Ein Blubb alle 30-90 Minuten klingt aber schon arg kritisch. Da hätte ich schon lange abgestochen bzw. bei gegebener Restsüße der Hefe ihre Alkoholtoleranzgrenze attestiert. Wirkt sich das denn nicht geschmacklich aus? Wie kommst du dazu, so vorzugehen? Würde mich mal interessieren, was da für eine Philosophie dahinter steckt.
Blubb hat nichts zu sagen. Ich probiere jede Woche den Wein und merke: Furztrocken -> Hefe ist noch am werkeln -> mehr Zucker!
Die Philosophie die dahinter steckt: Die Anleitungen und Rezepte auf der FWK/HWK Seite (+ Aufzeichnungen von meinem Großvater).
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Fruchtweinkeller
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Re: Halbtoten Brombeerwein wiederbeleben?

Beitrag von Fruchtweinkeller »

Zum Absterben der Hefe siehe auch

http://www.fruchtweinkeller.de/Wine/weinfehler.html

Dort auf "Gärprobleme oder Was kann ich tun wenn die Gärung stockt?" klicken, Abbildung Abb. 15.a1.

Man sieht dass die Anzahl teilungsfähiger Zellen im Gärverlauf immer geringer wird, wodurch naturgemäß die Gärung auch immer langsamer wird. Je höher der Alkoholgehalt, desto zäher wird es, weshalb man zusätzlichen Stress möglichst vermeiden sollte damit die Hefchen noch durchziehen.

Solange es gärt sollte geschüttelt werden.

Und ganz richtig, die Blubbzahl ist sowieso ein schlechtes Maß, besser du beurteilst die Stabilität der Restsüße.
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